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Bundesverfassungsgericht und Beratungshilfe

Von einem ungewöhnlichen Fall gibt es zu berichten. Am Ende steht die Frage, ob es nicht sinnvoller sein kann, sich immer dumm zu stellen? Oder auch anders, manchmal hilft man sich nicht, wenn man sich selbst vor Gericht vertritt.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 02. September 2010 zum Aktenzeichen 1 BvR 1974/08 entschieden, dass Beratungshilfe jedenfalls dann versagt werden kann, wenn ein Gutsituierter in gleicher Lage keinen Anwalt einschalten würde. Weil er es sich zum Beispiel zutraut, den betreffenden Sachverhalt selbst vor Gericht auszutragen.

So kommt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes nicht in Betracht, Beratungshilfe zu gewähren, wenn sich der Antragsteller in einem vergleichbaren Fall schon ein Mal selbst vertreten hat. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich die Antragstellerin bereits 2 Mal erfolgreich gegen die Kürzung Ihres ALG-II um 35 % gewährt. Ihre Klagen vor dem Sozialgericht wurde stattgegeben. Die Kürzung als nicht rechtmäßig erklärt. Als nun eine 3. Kürzung vorgenommen wurde, beauftragte die Antragstellerin nunmehr einen Anwalt. Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Ansicht, dass die Antragstellerin, da sie sich schon erfolgreich gegen das Handeln des Grundsicherungsträgers gewährt hat, keinen Anspruch auf Beratungshilfe hat.

Es begründete die Entscheidung damit, dass in dem Parallelverfahren keine Notwendigkeit für die Hinzuziehung eines Anwaltes bestanden hat. Immerhin hat die Antragstellerin in den ersten Verfahren ja schließlich alles auch allein geschafft. So sei die Antragstellerin erwiesenermaßen in der Lage gewesen, sich erfolgreich selbst zu vertreten. Ein vernünftiger gutsituierter Dritte hätte in so einem Fall schließlich auch keinen Anwalt beauftragt. Da die Antragstellerin sich in den beiden vorangegangenen Verfahren ja schließlich erfolgreich selbst vertreten hat, leuchtet es dem Bundesverfassungsgericht nicht ein, warum es in diesem Fall anders sein sollte. Bisher haben die Rechtskenntnisse der Antragstellerin ja ausgereicht, um gegen die Bescheide erfolgreich vorzugehen.

Pikant ist, dass das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Frage offen gelassen hat. Wenn die Angelegenheit so einfach zu verstehen ist, dass sie von Laien und Verwaltungsfachfremden verstanden wird, warum hat dann der Grundsicherungsträger die Rechtslage anders beurteilt und gleich 3 Mal anders entschieden?

In einem anderen Fall hingegen hat das Bundesverfassungsgericht anders entschieden. In dem damaligen Fall, wollte eine Antragstellerin gleich einen Anwalt beauftragen, gegen einen Hartz4-Bescheid Widerspruch einzulegen. Sie ging zum Amtsgericht und beantragte Beratungshilfe. Diese wurde ihre verwehrt, mit dem Hinweis, dass ein vernünftiger Ratsuchender, sich selbst gegen die Kürzung wehrt und Widerspruch einlegt. Eines Anwaltes bedarf es hier nicht. Der Antragstellerin ist zuzumuten, die kostenlose Beratung der Behörde in Anspruch zu nehmen. Dies auch dann, wenn die Behörde mit der Ausgangsbehörde des Bescheides identisch ist. In diesem Fall entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es der Antragstellerin nicht zuzumuten sei, den Rat einer Behörde in Anspruch zu nehmen, gegen deren Entscheidung sie Widerspruch einlegen will. Das Gericht sieht hier die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision.

Allein der Grund, dass aus fiskalischen Gesichtspunkten eine Beauftragung eines Anwaltes nicht wünschenswert ist, reicht nicht aus, um die Beratungshilfe zu versagen. Dies auch deswegen nicht, weil im vorliegenden Fall Fragen der Grundsicherung und damit der Existenzsicherung betroffen sind. Wegen des langen Vorverfahrens und auch des langen gerichtlichen Verfahrens ist gerade in dem Fall anwaltliche Hilfe mehr als sinnvoll.

Informationen zur Beantragung von Beratungshilfe.

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